Im Raum 39 hängt in der Gemäldegalerie bei den Italienern ein kleines unauffälliges Ölbild in merkwürdigem Querformat, das an den Rest einer Predella erinnert, leider nicht mehr in hervorragendem Zustand ist, aber immerhin 1447 von Fra Filippo Lippi gemalt wurde.
Was hat es damit auf sich? In dem fiktiven Geburtsraum in Trier stehen sechs großgewachsene und nicht mehr ganz junge Frauen, die anscheinend recht gelangweilt ein theoretisches Gespräch über Kindererziehung führen. Ganz anders der Bildteil mit der Krippe: die Familie ist besorgt, wedelt mit den Händen, zumal das Büblein anscheinend mit offenem Munde schnarcht und die Gefahr der einfliegenden Bienen im Verzuge ist (ähnlich wie die drohenden Germanen). Aber Hilfe naht: Der immer treue Johannes scheucht die Bienen hinaus und an der Decke verteilen zwei segnende Hände Goldstaub. Während des Rundflugs der Bienen hinterlassen sie auf der Zunge Honigtropfen, daher der Spruch: seine Rede war wie Honigseim!
Denn die freie emotionale und zu Herzen gehende Rede war die Stärke von Ambrosius. Auch wenn die Ambrosiapflanze heute als allergieauslösend gilt, in der griechischen Mythologie war sie die Götterspeise. Aber die Aufregungen waren noch nicht zu Ende: Als nobler und gebildeter Römer übernahm Ambrosius die Präfektur von Mailand. Da man wegen der erwarteten Streitereien zwischen Arianern und Trinitariern Unruhe bei der Bischofswahl befürchtete, hatte man Ambrosius als sachlichen Schlichter dazu gebeten. Und plötzlich rief ein kleines Kind: Ambrosius Episcopus! Kindermund tut Wahrheit kund.
Die Sache hatte aber einen kleinen Haken: Ambrosius war noch nicht einmal getauft! Was tut's? In der frühchristlichen Zeit wurde oft recht unkonventionell entschieden. Also wurde Ambrosius nach einem Schnell-Katechumenat am 7. Dezember 374 zum Bischof gewählt.
Und nun starb der römische Kaiser Valentian. Seine Witwe war glühende Arianerin! Der nächste christlich-politische Konflikt war eröffnet, denn sowohl die Kaiser als auch Ambrosius waren Trinitarier, die die heilige Dreifaltigkeit verteidigt haben. Die Arianer dagegen waren mit den Germanen ins Römische Reich eingefallen: Goten, Langobarden, Merowinger, Vandalen. Der arianische Glaube mit Vater und Sohn, die nicht wesensgleich sind, war für viele schlichte Germanen logischer als der Kompromiss-Beschluss von Chalcedon (den ich bis heute nicht verstanden habe, aber so sehen wohl politische Kompromisse aus...):
„Wir bekennen den einen und denselben Christus, den Sohn, den Herrn, der in zwei Naturen unvermischt und ungetrennt, unveränderlich und unteilbar erkannt wird (...) und in einer Hypostase vereinigt“.
Einen großen Tag erlebte Ambrosius, als er sich mit Kaiser Theodosius I auseinandersetzte. Der Kaiser wollte Tausende von Aufständischen in Thessaloniki töten lassen. Ambrosius verhinderte das und erteilte dem Kaiser eine empfindliche Strafe: Vor dem nächsten Kirchenbesuch musste der Kaiser auf den Knien büßen und Abbitte tun! Im Sinne des antiken Herrscherideals ließ der Kaiser Milde und Gnade walten zu den Worten des Ambrosius: „Der Kaiser steht in der Kirche, nicht aber über der Kirche!“. Ein Problem, das die Geschichte bis nach Canossa verfolgen wird.
Eines seiner beglückendsten Erlebnisse war die späte Freundschaft zu Augustinus von Hippo. Dessen Mutter, die heilige Monika von Tagaste, kannte Ambrosius schon lange. Getrieben von ihrer Sorge um den flegelhaften Sohn, der ein uneheliches Balg mitschleppte und mit einer Frau in einem ihrer Meinung nach absonderlichen Verhältnis lebte, suchte sie die Hilfe von Ambrosius. Und tatsächlich konnte Ambrosius helfen und Augustinus auf den richtigen Weg führen. Ambrosius, der große Redner, Augustinus, der Autor bedeutender Schriften. Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte.