29. März 2021

Der Löwe in Mythologie und Kunst


Anfang März dieses Jahres hatte ich noch das Glück, mir in Dresden die wiedereröffnete Galerie der Alten Meister ansehen zu können. Ohne jetzt auf die Konzeption der neugestalteten Räume einzugehen, wandelte ich voll Behagen (nach 2 Stunden etwas schwächelnd) durch die Ausstellung und blieb dann vor einem großen Bild in Hochformat hängen. Es zeigt den heiligen Hieronymus in der Wüste mit einem roten Tuch als Umhang und zu seinen Füßen den ihm ergebenen Löwen selig schlafend, eine hinreißende Tierdarstellung, gemalt von Rubens um 1615:

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Der Löwe gilt seit alters her als Symbol der Macht, der Wachsamkeit und des Mutes und ist damit das häufigste Wappentier (nur im Großraum Alpen und Südeuropa wird der Adler als höherwertig angesehen), und trägt den Beinamen „König der Wüste“, dabei ist sein Lebensraum die Savanne und nicht die Wüste, in historischer Zeit also ein großer Teil von Afrika, Indien und Kleinasien.

Die älteste Darstellung fand man in einer Höhle auf der schwäbischen Alb, sie ist etwa 35.000 Jahre alt: der Löwenmensch, eine ca. 30 cm hohe aus Mammutzahn geschnitzte Figur eines Mischwesens mit Löwenkopf und Tatzenhänden, schon damals träumten die Männer davon, Kräfte und Macht und Mut wie ein Löwe zu besitzen.

Herkules musste als erste der 12 Aufgaben den nemeischen Löwen töten, keine leichte Aufgabe, da das Tier mit menschlichen Waffen nicht verletzt werden konnte. So musste Herkules den Löwen erst erwürgen, ihm dann die Krallen herausreißen und damit das Herz aufreißen; aus dem Fell fertigte er sich einen Umhang, der ihn unverwundbar machte.

Auch Samson aus dem AT musste diese Prüfung bestehen: er riss mit göttlicher Kraftverstärkung dem Löwen die Kiefer auseinander. Im Kunstgewerbemuseum findet sich ein Samson- Aquamanile aus Messing (12.Jh.) für die liturgische Handwaschung, da fängt Samson erst mal vorsichtig mit den Ohren an!

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(Foto: Stephan Klonck)

Juda war der 4. Sohn des Stammvaters Jakob, bei der Landnahme in Kanaan wurde seinen Nachkommen das südliche Gebiet Palästinas zugeteilt mit den Städten Jericho, Jerusalem, Bethlehem und mit Mamre nahe Hebron als religiösem Zentrum: dort empfing Abraham die drei Engel und dort wurde er auch begraben. König David entstammt dieser Linie, natürlich sein Sohn Salomo und letztendlich auch Jesus, der damit den Beinamen „der Löwe aus Juda“ bekam. In der Offenbarung 5,5 heißt es (und wird ebenso in Mose 1,49 vorhergesagt):

"Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel."

Christlich interpretiert bedeutet das: Er ist gestorben als Lamm Gottes und wird wiederkommen als Messias, der Löwe von Juda. Das Wappen der Stadt Jerusalem zeigt einen stehenden Löwen.

Auch die Kaiser von Abessinien (heute Äthiopien) nannten sich Löwen von Juda, denn Menelik I. war der Legende nach ein Sohn von König Salomo und der Kaiserin von Saba, er soll sein Reich um 980 vor Christus gegründet haben, es wurde eines der ersten christlichen Reiche und endete 1974 mit dem Tod von Kaiser Haile Selassie nach einem Umsturz.

Wir kennen alle den Markuslöwen aus Venedig, im Markusdom soll sich ein Großteil der Gebeine des Evangelisten befinden. Das Markusevangelium wurde wahrscheinlich schon kurz nach dem verlorenen Krieg gegen die Römer 70 n. Chr. geschrieben; der Verfasser versucht, die verunsicherten jungen christlichen Gemeinden zu stärken und betont die Vollmacht Jesu mit den diversen Heilungswundern. Der Löwe ist sein Symboltier, das passt zu der von Markus betonten Herrscherrolle Christi. Im Bode-Museum kennen wir die vier Evangelisten von Riemenschneider, hier ist der Löwe eher in sich ruhend, aber nicht schlafend sondern wachsam.

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Auch in Indien wird der Löwe mit Herrschern in Verbindung gebracht. Ich zeige Ihnen hier eine der berühmten Gandhara-Figuren aus Schiefer, die seit 5 Jahren in einem Archiv in Dahlem ruhen und darauf warten, im Humboldtforum wieder das Licht der Welt zu erblicken. Buddha sitzt auf einem Kissen, das seitlich von zwei Löwen gehalten wird (2.Jh.n.Chr.).

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Durch Indien kam der Buddhismus nach China, und damit kamen auch die Löwen. Allerdings gab es in China keine Löwen! Die chinesischen Bildhauer fanden aber Ähnlichkeiten der indischen Löwen mit dem pekinesischen Hund, also vermischte man die Gesichter und so entstanden die chinesischen Wächterhunde, die an jedem Tempel- und Palast-Portal stehen (rechts männlich und links weiblich).

Das christliche Mittelalter Europas ließ Tierdarstellungen solitär kaum zu, sondern nur als Zugabe zu einem Heiligen. Aber auch darüber setzten sich einige besonders mächtige Fürsten hinweg, zum Beispiel Heinrich der Löwe mit den Darstellungen in Braunschweig, Ratzeburg und Goslar, seine zeitgleichen Gegenspieler waren Albrecht der Bär und Barbarossa.

Mit der Neuzeit verloren die Löwen ihre dienende Funktion und wurden endlich wahrgenommen als majestätische Tiere mit ausgeprägter Schönheit. Einige Bildhauer hatten kein Interesse mehr an den ewig gleichen Gestalten von Fürsten und ihrer Entourage mitsamt Pferden oder Löwen und sie entdeckten die Faszination der Tiergestalten. Dazu gehören in Frankreich Antoine-Louis Barye (1796 – 1875) und etwas später der Begas-Schüler August Gaul in Berlin.

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Hier sehen Sie zwei Raubtiere in Jugendstil- Unterglasur aus Kopenhagen von 1907.

Ich habe mit Hieronymus angefangen und werde auch mit ihm enden: im Kupferstichkabinett befindet sich einer der Meisterstiche von Dürer: Hieronymus im Gehäuse (1514), man sieht den Kirchenvater schreibend in einer mittelalterlichen Studierstube (wahrscheinlich ähnlich der von Dürers Freund Willibald Pirckheimer in Nürnberg). Diesen heiligen Raum, abgetrennt durch eine Stufe, bewacht der Löwe, dem Hieronymus einst einen Dorn aus der Tatze entfernte. Der Löwe hat zwar die Augen geschlossen, aber er schläft nicht. Die Pfoten sind nicht eingerollt, sondern liegen mit sichtbaren Krallen griffbereit auf dem Fußboden. Die Spannung im Körper zeigt sich auch im Hinterteil – der Wächter ist allzeit bereit. Den Gegensatz dazu erkennen wir im daneben schlafenden Hund – entspannt träumend von vielleicht einer Leberwurst.

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(Foto: W. Guelcker)

Fotos:
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