Der Kirchenbaumeister Christoph Hehl in Berlin


Vorspiel:

1870 berief der ultrakonservative Papst Pius IX. das 1. vatikanische Konzil ein, um die „modernen Irrtümer in der kirchlichen Gesetzgebung“ abzuwehren. Von Beginn an verschärfte sich in der katholischen Welt die Stimmung zu den Plänen, als dann auch noch das Unfehlbarkeitsdogma auf den Tisch kam, gab es ständige Kontroversen zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen (angefeuert durch ein Buch von Ignaz von Döllinger), sodaß schlussendlich vor der Abstimmung ca. 60 Kardinäle die Stadt verließen. Die Altkatholiken spalteten sich gänzlich ab, dann wurde das Konzil abgebrochen. Zwischenzeitlich hatte Frankreich Preußen den Krieg erklärt und Italien annektierte den Kirchenstaat, das Konzil wurde nie wieder aufgenommen, aber das Unfehlbarkeitsdogma war in kleiner Besetzung abgestimmt worden.

Im protestantischen Norddeutschland machte sich Empörung breit, Reichskanzler Bismarck erließ das Kanzelverbot (keine polit. Reden von der Kanzel) und begann mit dem Kulturkampf: in Berlin wurden über 17 Jahre keine katholischen Kirchen gebaut. 1878 starb Pius der IX. und sein Nachfolger wurde der zurückhaltende Leo XIII., er regierte 25 Jahre und lernte alle Staatsmänner seiner Zeit kennen, auch Bismarck. Die beiden älteren Männer schätzen sich und vereinbarten eine Beilegung des Kulturkampfes 1887. Die französischen Reparationszahlungen brachten dem deutschen (nunmehr) Kaiserreich eine wirtschaftliche Blüte mit vielen Arbeitskräften aus katholischen Gegenden – nun mussten katholische Kirchen erstellt werden. Und jetzt kam die Chance für Christoph Hehl!

Hehl stammte aus Kassel, hatte dort die Gewerbeschule besucht, studierte in England, war Schüler des Architekten Hase und arbeitete zunächst in Hildesheim. Er unternahm viele Reisen nach Italien und 1894 wurde er Professor für mittelalterliche Baukunst in Berlin. Er hat ab 1897 insgesamt 7 Kirchen für Berlin gebaut! Die erste Kirche war die Herz-Jesu-Kirche im Prenzlauer Berg, dann folgten die Rosenkranzbasilika in Steglitz, Herz-Jesu-Kirche in Zehlendorf, Kirche zur Heiligen Familie in Lichterfelde, Maria Hilfe der Christen in Spandau, St.Maria Mater Dolorosa in Lankwitz (vollendet von seinem Nachfolger Carl Kühn, denn 1911 starb Christoph Hehl)

Während das Kaiserhaus sich eher als Vollender des protestantischen Heilsprogrammes sah, antwortete Hehl durch die Anwendung lokal-bezogener Bauformen der vorreformatorischen Zeit: Märkische Klöster, aber auch spätrömische Mosaiken wie in Rom oder Ravenna. Also frühchristliche Wurzeln, das zeigt sich besonders in der Anwendung von Ziegeln im Klosterformat und schweren Bronzetüren. Er sah die Erbschaft der Zisterzienser und Prämonstratenser, sie wirkt programmatisch als Bausymbolik und als Legitimation der jetzigen Nachfolger. Als Beispiel für seine Bauweise zeige ich ein Bild der Fassade der Rosenkranzbasilika: ein mächtiger Querriegel als Westwerk, erinnernd an Havelberg oder Minden, die Ziegel im märkischen Verband gemauert (Läufer und Binder abwechselnd). Die 3 Eingänge mit Kupferplatten und Zierrahmen haben ihre Vorbilder in Aachen oder Zan Zeno in Verona.

Kulturbüro Dr. Lore Gewehr - Berlin - Kirchenführungen, Vorträge & Präsentationen, Gruppen-Reisebegleitung - Rosenkranzfassade

Ziegelsteine sind ein uraltes Baumaterial: ich selber habe in Mari in Ostsyrien Ausgrabungen gesehen an einem ca 5000 Jahre alten Bau aus an der Sonne getrockneten Steinen. Die Archäologen konnten nur mit feinen Pinseln arbeiten, um nichts zu zerstören. Die Römer hatten schmale und bereits gebrannte Ziegel, das beste Beispiel ist die noch erhaltene Konstantinsbasilika in Trier, ehemals eine römische Palastaula aus dem 4. Jahrhundert, heute eine evangelische Kirche. Während der Wirren der Völkerwanderung ging das Wissen um die Ziegelherstellung verloren, ab dem 8. Jahrhundert gab es wieder Ziegeleien und einen Aufschwung erhielt diese Technik durch die Klosterziegeleien im 11. und 12. Jahrhundert. Die „Klosterziegel“ sind dicker und größer als die heutigen Normziegel: 1872 wurde in Deutschland das Reichsformat für Ziegel eingeführt: 25 x 12 x 6,5 cm.

Bei höheren Brenntemperaturen (ca 1200 Grad) können Klinker entstehen, sie sind härter und haben andere Zutaten. Später konnte man sie auch glasieren - die Poren schließen sich und es entsteht eine dunklere Oberfläche; Meister darin war der Baumeister Brunsberg (Tangermünde, Stettin Brandenburg).

Hier die Katharinenkirche/Brandenburg.

Als Beispiel für das Klosterformat folgt hier ein Bild der Dorfkirche Dahlem, ca 30 x 14 x 8 cm. Unter Berücksichtigung der Fuge entspricht damit ein längs eingemauerter Ziegel, der Läufer, genau zwei quer eingemauerten Bindern. Die Notwendigkeit, Ziegel wegen ihrer Tragfähigkeit im Verband zu vermauern, bestimmt ihr Format. Bei dem Foto der alten Dorfkirche sehen Sie, dass dort viel repariert wurde. Und alles steht auf dem Fundament der Feldsteine.

Mit der Zeit wurde die Technik, Ziegel zu brennen, immer ausgereifter: es entstanden unterschiedliche Formsteine, die die Dekoration der Portale, Fensterlaibungen, Säulen und Pfeiler erleichterten. Über ihre Herstellung informiert u.a. das Klostermuseum in Jerichow, in  Treuenbrietzen werden diese Muster in der Kirche ausgestellt.

Auch die chinesische Mauer aus der Mingzeit ist aus Ziegeln erbaut, graufarben, 4 mal größer und härter als die europäischen Ziegel, da mittels besonderer Brennöfen gebrannt. Der Lehm fand sich in den Talsenken, als Brennholz standen die Bäume der Hügel zur Verfügung und so schaffte man sich gleich ein übersichtliches Terrain .

Bild Christoph Hehl:  Unbekannter Autor, Christoph Hehl, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons, Die übrigen Bilder sind von der Verfasserin.

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